Mühlentechnik
Technik von Holländerwindmühlen
Die Technik der Holländerwindmühlen kann man in das stehende Werk und in das gehende Werk unterteilen.
Zum stehenden Werk einer Holländerwindmühle zählen der Unterbau, das hölzerne Achtkant, die Galerie, die Böden und die Kappe mitsamt der Drehvorrichtung.
Zum gehenden Werk gehören die Flügelwelle und die Flügel, das Mühlengetriebe, die Mahlgänge mit den Mahlsteinen oder Walzenstühlen und weitere Mühlenmaschinen im Rahmen der Mehlherstellung.
Der Unterbau
Der Unterbau einer Holländerwindmühle besteht im unteren Teil aus einem aus Steinen gemauerten "Steinkant" (unterer Achtkant), der sich nach oben hin leicht verjüngt. Im Steinkant sind unterschiedliche Mühlenmaschinen untergebracht. Dieser Unterbau diente aber auch als Lager für Mehl bzw. noch zu vermahlendes Korn, welches zumeist in Säcken abgepackt war. Je mehr Stockwerke eine Mühle hatte, umso mehr Mühlenmaschinen fanden Platz bzw. umso mehr Getreide und Mehl konnten gelagert werden. Manche Mühle, wie z.B. in Idafehn, verfügte auch über ein Packhaus, welches als Lagerort genutzt wurde.
Der Achtkant
Auf dem Mauerwerk des Steinkants steht ein aus Eichen- oder Pitchpineholz gefertigtes Balkenwerk, der Achtkant. Dieser Achtkant hat eine Höhe von 10 oder mehr Metern, in dem sich die im Steinkant begonnene Verjüngung nach oben fortsetzt. Der Achtkant lagert auf dem sogenannten "unteren Tafelment", einem aus schweren Eichebohlen bestehenden hölzernen Ring, der auf dem Steinkant liegt. Oben auf dem Achtkant befindet sich das "obere Tafelment". Es trägt einen Rollenkranz, auf dem die Mühlenkappe in den Wind gedreht wird. Die acht großen Außenbalken des Achtkants sind durch Querbalken und sogenannte Andreaskreuze miteinander verbunden und verzahnt.
Der Achtkant beherbergt die Wellen und Räder zur Übertragung der Windkrauft aus der Kappe auf die Mahlgänge. Diese befinden sich zumeist in Galeriehöhe. Die äußere Verkleidung kann sehr unterschiedlich sein. Viele Mühlen sind z.B. mit Reet gedeckt (z.B. in Jemgum), andere haben ein Blech- oder Schieferdach. In Idafehn ist der Achtkant durch eine Holzverschalung verkleidet, auf die außen eine Teerpappenverkleidung in Form von Dachschindeln angebracht ist.
<< Dies Foto zeigt die "nackte Konstruktion" eines Holzachtkantes. Der abgebildete Achtkant befand sich ursprünglich in der Themann'schen Mühle in Bösel. Im Rahmen des Wiederaufbaues der Mühle Idafehn wurde er von Mitgliedern des Möhlenkring Idafehn in ehrenamtlichen Einsatz in Bösel abgebaut und 1994 nach Idafehn transportiert. Das Foto entstand 1999, als im Rahmen der Restaurierung einige Holzteile vom Mühlenbauer Richard Kluin (rechts oben) und seinem Helfer Noel Mone (auf der Leiter) ausgewechselt werden mußten.
Die Galerie
In der Höhe des Überganges vom Steinkant zum Holzachtkant befindet sich die Galerie (Stelling oder Swichtstee; der Umlauf um die Mühle). Die Galerie ist erforderlich, damit der Müller zu jeder Zeit und bei jeder Witterung an die Flügel gelangen kann, um z.B. die Segeltuchfläche zu verändern oder um die Flügel zu warten usw. Die Idafehntjer Mühle besitzt Jalousieflügel. Von der Galerie aus öffnet oder schließt der Müller über einen Seilzug die Jalousieklappen der Flügel.
Die Galerie besteht aus einem inneren und äußeren Balkenkranz. Der innere Balkenkranz ("Binnenring") liegt am Mühlengebäude an. Der äußere Balkenkranz wird durch schräggestellte Balken, die sog. "Schoren", zum Steinachtkant nach unten hin abgestützt. Belegt ist die Galerie mit massiven Brettern. Ein Geländer, das zumeist etwas schräg nach außen geneigt ist, umgibt die Galerie an der äußeren Seite und soll verhindern, daß auf der Galerie befindliche Personen herabstürzen.
Die Galerie ist eine Arbeitsplattform. Von hier aus betätigt der Müller über eine lange Kette die auf dem Achsrand in der Kappe befindliche Bremse, den sog. "Fang" (ein langer Balken, der hinten aus der Mühlenkappe ragt).
Die Böden
Von der Größe der Mühle ist die Anzahl der Böden (Etagen, Soller) abhängig. Auf ihnen sind sämtliche Mahleinrichtungen, Sichter usw. untergebracht. Sie dienen aber gleichzeitig auch als Lager für Getreide- bzw. Mehlsäcke.
Man spricht z.B. vom Mehlboden, Steinboden oder Kappenboden.
Die Mühlenkappe
Die Kappe ist der obere, um 360 Grad drehbare Kopf der Mühle. Die Mühlenkappe kann schlittenartig auf einem festen Ring, dem "Kröiring" gedreht werden.Die Kappe ruht auf zwei mächtigen starken Eichenbalken, den "Foogholten" oder Fughölzern. Um in der Mitte der Kappe mehr Platz zu haben, sind sie aus leicht krumm gewachsenem Holz gemacht oder vom Mühlenbauer entsprechend zugeschnitten. Mehrere Querbalken verbinden die Foogholten miteinander. Sie haben zum Teil weitere Funktionen zu erfüllen, nach denen sie ihre Namen haben. Ganz außen an der Kappenvorderseite liegt ein sehr starker Balken, der "Windpöhl".
Ein Stück dahinter befindet sich zwischen den Foogholten ein etwas dünnerer Balken, der "Sturmpöhl" genannt wird. Zwischen diesen beiden Wind- und Sturmbalken ist ein kürzerer Längsbalken verkeilt, der "Kalf" oder "Bürgermeister" heißt. Dieser Balken unterstützt den Windpöhl.Genau durch die Mitte der Kappe läuft quer über die Foogholten ein langer Balken, der bei einer Mühle mit Steert - wie der Idafehntjer Mühle - auf beiden Seiten aus der Kappe herausragt, der "Lang Sprüüt". Am hinteren Ende der Kappe hat er in einem nur wenig auf beiden Seiten überstehenden Querbalken, dem "Kort Sprüüt", seine Ergänzung. Beide Sprüütbalken dienen als Hebelarme zum Drehen der Kappe. Hierzu sind sie mit dem Steert verbunden.
Vor dem Kort Sprüüt befindet sich ein weiterer Querbalken der das hintere Lager der Achse trägt und "Penbalk" genannt wird. Da der Penbalken den gesamten Winddruck der Achse aufnimmt, setzt er sich mit der Zeit etwas nach hinten. Um die Achse dann wieder zu zentrieren ist er nur zwischen den Fughölzern lose verzapft und verkeilt. Bei Mühlen mit einer Windrose sind die Fughölzer länger und nehmen noch den Windrosenbock auf.
Über dem Windpöhl stehen zwei senkrechte Balken. Der von innen gesehen linke wird, weil sich die Achse in ihrer Drehung von ihm abkehrt "Kehrsteel" genannt, der rechte, gegen den sie sich anwehrt, "Wehrsteel". Quer über diesen beiden Balken liegt als vorderer oberer Dachbalken ein "Hööftstück". Auf dem Windpöhl zwischen Kehr- und Wehrsteel, ist das Steinlager ("Katzenstein") des Flügelkreuzes montiert.
In die äußeren Längsseiten der Foogholten sind, je nach Kappengröße, auf jeder Seite mehrere kleinere Balken strahlenförmig verzapft, die "Röstermantjes". Zusammen mit ihrer äußeren Holzverbindung, dem "Rösterring" ergeben sie zwei halbmondförmige Teilstücke, durch welche die Kappe ihre runde Grundform erhält. Der darauf liegende Bretterboden heißt Rösterboden.
Jeweils zwei Sparren (Speren), die halbrund gebogen sind, laufen vom Rösterring zur Dachspitze hin. An der Spitze sind sie mit den oberen Balken der Dachkonstruktion, der "Nadel", verbunden. Seitlich sind beide Sparren auf halber Höhe mit den sogenannten "Krummholten" miteinander verbunden. Die "Anlopers" laufen jeweils schräg von vorderen Hööftstück und vom hinteren Querbalken über den Kort Sprüüt zur Dachspitze der Nadel hin.
Das "gehende Werk"
„Windmühlenflügel“.
Die Flügel werden in Segel- und Jalousieflügel unterteilt. Die Befestigung der Flügel an die Achse erfolgte früher meist über einen Achskopf aus kernigem Eichenholz. Der vordere, über das Halslager herausragende Teil, ist mit zwei Löchern zur Aufnahme der Ruten versehen. Diese sind kreuzweise voreinander durch den Achskopf gesteckt und in diesem sorgfältig verkeilt. Mittlerweile werden statt hölzerner Achsköpfe nun meist gusseiserne Wellenköpfe benutzt, wobei auch die durchgehende Achse meist aus Metall hergestellt ist.
Der Grundstock für einen Flügel ist die Rute. Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Flügelrute an den Wellkopf zu befestigen. Einmal ist eine 3teilige Rute mit hölzernem Bruststück möglich. Eine andere Möglichkeit ist eine durchgehende Rute zu verwenden.
Die Flügel eines Rutenkreuzes werden Haus- und Feldrute genannt. Wie der Name schon andeutet sitzt die Hausrute näher am Mühlenkörper und die Feldrute befindet sich am äußeren Teil im Wellkopf. Für hölzerne Ruten eignen sich meist Lärche oder Pitchpine. Die Mettruten werden entweder genietet oder geschweißt.
Vorne und hinten an der Flügelrute befinden sich das Vorheck und das Achterheck. Das breitere Achterheck trägt entweder die Segel oder die Jalousie. Das schmalere Vorheck besteht in der Regel aus zwei Windbrettern und einem an der Flügelspitze sitzenden Sturmbrett, dass bei Sturm herausgenommen werden kann.
Das rechteckige Segel wird vom Wellkopf her über das gatterförmige Achterheck gespannt. Die Besegelung kann entsprechend der Windstärke eingerollt (gerefft) oder wieder ausgerollt werden.
Bei Jalousieflügeln besteht das Achterheck aus einem System hölzerner oder metallener Lamellen. Bei stärkerem Wind öffnen sich diese nach hinten und bieten damit dem Wind weniger Angriffsfläche.
Die Stellung der beweglich gelagerten Jalousieklappen kann der Müller über einen durch die Flügelwelle hindurchführenden Jalousiezug von der Galerie aus bedienen. Zur Einstellung auf eine bestimmte Windstärke werden oftmals Gewichte an den Jalousiezug gehängt.
Vorheck und Achterheck stehen in einem bestimmten Winkel zueinander, der sich von der Flügelspitze bis hin zum Wellkopf verändert und dem Flügel ein geschwungenes Aussehen verleiht. Hierbei spricht man vom „Flügelschrank“.
Entwicklung der Flügelsysteme
Das älteste Flügelsystem sind die Segelgatterflügel. Es gibt sie nur in Küstenregionen. Sie tauchten erstmals um 1200 in Flandern auf. Ab etwa 1450 gibt es Türenflügel (anstatt der Segel wurden Holzbretter eingehängt), denen ab ca. 1800 Jalousieflügel und nach 1900 Stromlinienflügel als weitere Systeme folgten.
Zur Stromlinienverkleidung zählt das System Van Bussel. Ein anderes System sind die Ventikantenflügel (zu Deutsch: Windkantenflügel), welche 1931 von Kurt Bielau entwickelt wurden. Diese Flügel, die sich an den Flugzeugbau orientieren, sind mit einem Drehheck ausgestattet. Sie bewirkten eine dreifache Leistungssteigerung, aber durch das bereits begonnene Mühlensterben kamen sie nicht mehr zum Tragen. Die Holländer bauten hiervon abgeleitete Systeme nach, z.B. Van Riet.
--> Fortsetzung folgt.